Sand im Getriebe

Neben den hohen Investitionen am europäischen und asiatischen Fußballmarkt, gingen in der ägyptischen Liga etwas abseits der medialen Berichterstattung, etliche afrikanische Rekordtransfers über die Bühne. Wer in erster Linie an den kontinentalen Rekordmeister Al-Ahly Kairo oder dessen Stadtrivalen Zamalek SC denkt, liegt jedoch falsch. Der ehemalige saudi-arabische Sportminister und Multimillionär Turki Al Sheikh rief mit dem Pyramids FC einen neuen Verein ins Leben und leitete damit eine turbulente Saison in Ägypten ein.

„Bis jetzt gab es nur zwei Mannschaften in Ägypten die ernsthaft um den Titel spielten. Pyramids FC verspricht auf jeden Fall neue Spannung in der Liga.“ so der ägyptische Sportjournalist Mostafa El-Masry vom Sportportal Nilesports zu b-side.football. Mit dem Pyramids FC soll ein neuer, starker Player den arrivierten ägyptischen Klubs Konkurrenz machen und zwar nicht nur national, sondern auch kontinental. Grund dafür war eine Reihe von Ereignissen, die mit finanziellen Krisen von Al-Ahly Kairo und dem ägyptischen Fußball einher gingen. Auch die letztjährigen politischen und gesellschaftlichen Umbrüche in Ägypten, als Folgen des arabischen Frühlings, waren nicht selten mit Fußball verwoben. Der bekannteste und tragischste Vorfall in diesem Zusammenhang war sicherlich das „Port Said Massaker“ von 2012, bei dem 73 Stadionbesucher auf bestialische Weise ums Leben gekommen sind. Dutzende Ahlawy-Ultras, wie sich die eingefleischten Al-Ahly Fans nennen, wurden dabei ermordet. Aufklärungsmaßnahmen rund um die Stadionmorde brachten die politische Führung und den staatlichen Sicherheitsapparat in Bedrängnis. Ihnen wurde die Inszenierung der Tragödie von Port Said vorgeworfen. Beim folgenden Gerichtsprozess wurden die beteiligten Polizisten freigesprochen, eine Farce für die meisten ägyptischen Fußballfans. Wütende Proteste waren die Folge, und die Ahlawy-Ultras standen an vorderster Front. Die Stadionpolizei galt als Sinnbild eines korrupten Systems, in dem Opposition oft repressiv unterdrückt wurde. Die noch bis zum Afrika Cup 2019 anhaltenden Stadionverbote und die gesellschaftspolitische Lage im Land schwächten den ägyptischen Fußball stark. In der Spielzeit 2017/18 war selbst beim reichsten Klub des Landes, Al Ahly Kairo, der Schuldenberg so hoch, dass dem Verein die Insolvenz drohte.

Inmitten der Krise betrat das saudische Regierungsmitglied Turki Al Sheikh die ägyptische Bildfläche. Der damalige Sportminister war bereits als bekennender Al Ahly Fan bekannt und sollte die Schulden des Klubs tilgen. Anfangs noch als Retter und Ehrenpräsident der „Roten Teufel“ geliebt, verschlechterte sich die Sicht auf den saudischen Scheich schon nach kurzer Zeit. Spätestens im Frühling 2018, als der Mexikaner Ramon Diaz, der quasi fix als neuer Al-Ahly Trainer galt, im letzten Augenblick den lukrativeren Deal in Saudi-Arabien bei Ittihad Dschidda unterschrieb, war der erste große Bruch zwischen Verein und Investor ersichtlich. „Diaz war kurz davor einen Vertrag bei Al-Ahly zu unterschreiben, aber die saudischen Teams haben Priorität.“ gab Al Sheikh auf Twitter bekannt. Die Ahlawy-Ultras waren erzürnt und vertrieben den saudischen Mäzen mit beleidigenden Fangesängen aus dem Verein. So wurde es zumindest in vielen Medien dargestellt.

zerrüttete Neugründung

Der Saudi klagte Al-Ahly anfangs sogar auf die rund 15 Millionen Euro, die er in den Verein investiert hatte. Kurz darauf gab er aber bekannt, den ägyptischen Erstligisten Al-Assiouti aus der Stadt Beni Suef zu übernehmen und die Klage gegen Al Ahly fallen zu lassen. „El-Khatib ist wie ein Bruder für mich und Al Ahly ist mein Zuhause, sowie Saudi-Arabien El-Khatibs Zuhause ist…“, sagte Al Sheikh dem TV-Sender LTC kurz nach Rückzug seiner Klage. Wie sich später herausstellen sollte waren das nur leere Phrasen in einem Machtkampf, der in die nächste Runde ging und dessen letztes Wort noch lange nicht gesprochen war. Vor allem sollte es nicht die letzte plötzliche Entscheidungsänderung des Scheichs gewesen sein. Mit der Lizenzübernahme von Al-Assiouti folgte eine Komplettentwurzelung samt Wappen- und Farbenänderung und der Umzug ins 150km entfernte Kairo. Mit der vermarktungstauglicheren Namensänderung in Pyramids FC wurde ein Projekt aus dem Boden gestampft, welches fortan sämtliche kontinentale Rekorde brechen sollte. Schätzungsweise hat Al Sheikh seit Sommer zwischen 100 und 130 Millionen Euro in das Projekt Pyramids FC investiert. Kolportierte 40 Millionen Euro wurden allein im Sommertransferfenster 2018 investiert, wobei rund 25 Millionen Euro nach Brasilien geflossen sind. Der Mittelfeldspieler Keno kam für geschätzte 9 Millionen Euro von SE Palmeiras und schillernde Mitarbeiter wie Ricardo La Volpe oder der Ex-Weltmeister Dida sorgten für Aufsehen in Ägypten. Der gesamte Kader wurde neu verpflichtet, darunter etliche Nationalspieler Ägyptens, wie Ex-Premier-League Legionär Ali Gabr und viele junge Talente sowie arrivierte Ligaspieler.

Ein Sprung in den September 2018: die Ahlawy-Ultras nutzten das African-Champions-League Spiel gegen Horoya FC als Bühne, um die Mutter von Al Sheikh mit Schmähgesängen zu verspotten. Denn anders als bei ägyptischen Ligaspielen, sind Zuschauer bei kontinentalen Matches erlaubt. Am nächsten Tag folgte ein weiterer plötzlicher Rückzug Al Sheikhs. Auf Facebook schrieb er „Ich überlege ernsthaft mein Investment im ägyptischen Sport zurück zu ziehen…eigenartige Untergriffe von allen Seiten, jeden Tag… warum das Kopfweh?“  Über den vereinseigenen Streamingkanal Pyramids TV wurde später am Tag sein kompletter Rückzug verkündet. Gleichzeitig sollten die teuren Spieler wiederum verkauft werden. Doch waren die Fangesänge der Ultras wirklich der ausschlaggebende Punkt für den Rückzug oder nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte? Der Saudi war nämlich auch mit dem ägyptischen Verband im Clinch, da dieser einige seiner Forderungen, wie dem Wunsch nach ausländischen Schiedsrichtern in Ligaspielen, vorerst ablehnte. Trotzdem wurde es danach bis Jahresende vergleichsweise ruhig rund um Al Sheikh und den Pyramids FC. Als das Wintertransferfenster öffnete, kam der Verein wieder in die Schlagzeilen. Zwar waren die Abgänge der brasilianischen Stars, außer des Flügelstürmers Keno, beschlossene Sache, dennoch standen am 1. Jänner 2019 bereits weitere Rekordneuzugänge fest. Eric Traore kam für mehr als 2,5 Millionen Euro vom Ligarivalen El Makasa und der ecuadorianische Stürmer Jhon Cifuente, der immerhin 37 Saisontoren in seiner Heimat geschossen hatte, kam für rund 4,35 Millionen Euro zu Pyramids FC. Diese Transfermarktaktivitäten standen jedoch im Gegensatz zu den damalig öffentlich gemachten Plänen des Scheichs und geben vermutlich den Beweis, dass der angekündigte Stopp seiner Investitionen nie wirklich geplant war. Im Jänner 2019 schwenkte Al Sheikh dann auch offiziell wieder um. Er twitterte, trotz seiner vorherigen Aussagen, doch kein Interesse an einem Verkauf von Pyramids FC zu haben. Mit Christian Benavente kam für 6 Millionen Euro sogar noch ein weiterer Rekordtransfer zum Scheichklub. Damit belegt der Pyramids FC die ersten 5 Plätze der ägyptischen Transferrekorde. Doch wer glaubte, dass somit wieder Ruhe im ägyptischen Fußball eingekehrt war, der irrte. Es war nur ein weiterer kurioser Zwischenstand, um einen von Emotionen getriebenen Scheich und ein Fußballprojekt, dessen Schicksal ganz und gar von einer Person abhängig ist.

Disput verlagert sich in die Öffentlichkeit

Nicht nur der Kader des Pyramids FC war großen Rotationen unterzogen, auch auf der Trainerbank gab es bereits nach dem ersten halben Jahr einen großen Verschleiß. Im Jänner veröffentlichte der Verein ein Statement, dass den ägyptischen Fußball erneut polarisierten sollte. Der schon im Sommer viel diskutierte Ramon Diaz wurde als Trainer von Pyramids FC präsentiert, er ist der fünfte der laufenden Saison. „Ramon Diaz wird der teuerste Trainer der Geschichte des ägyptischen Fußballs, nachdem Turki Al Sheikh es geschafft hat, sich mit ihm zu einigen.“, ließ der Pyramids FC über Facebook verlautbaren. Die Verpflichtung des Startrainer, lässt sich sicherlich nicht nur mit sportlichen Argumenten erklären. Mostafa El-Masry sagte „Sicherlich wurden hier zwei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen, auf der einen Seite ist er natürlich ein guter Trainer, auf der anderen Seite konnte man sich dadurch auch der Aufmerksamkeit Al Ahlys‘ sicher sein.“ Dass auch diese Entscheidung Al Sheikhs‘ zumindest teilweise mit Machtspielen zwischen ihm und El-Khatib zusammenhing, war aufgrund der Beobachtungen der letzten Monate naheliegend. Auch Al Sheikhs‘ Spiel mit der Öffentlichkeit ging weiter. Mitten in die mediale Diskussion der beiden Vereinsverantwortlichen, erklärte der Pyramids FC am 22. Februar, dass der Verkauf des Klubs an den emiratischen Investor Salem Saed El-Shamsy beschlossen wurde. Doch am nächsten Tag wurde es wieder skurril. „Trotz aller Herausforderungen und Schwierigkeiten hat Turki Al Sheikh beschossen seine Anteile nicht zu verkaufen um den Klub weiterhin zu unterstützen …Vereinsverantwortliche, Spieler und andere Persönlichkeiten haben ihn überredet seine Meinung zu ändern.“ hieß es in einem Vereinsstatement.

Wie es jetzt weitergeht in Ägypten mit Turki Al Sheikh und dem Pyramids FC und ob der Verkauf des Vereins nun doch geplant ist, könnte wahrscheinlich nur der Scheich selbst beantworten. „Man weiß es einfach nicht genau, aber Al Sheikh liebt den ägyptischen Fußball und weiß, dass es einen riesigen Markt gibt, der sehr profitabel ist. Angeblich gibt es Pläne, dass er ein neues Stadion und eine moderne Jugendakademie errichten will.“ sagte El Masry. Ein Schlusspunkt in diesem Stück mit mehreren Akten, in dem es eigentlich um direkte politische Einflussnahme und einen Machtkampf zwischen den größten Fußballfunktionären des Landes geht, ist derzeit nicht in Sicht. Wer die Auseinandersetzung gewinnt, wo nichts weniger als die Vorherrschaft im ägyptischen Fußball auf dem Spiel steht, wird sich zeigen.

Text: Klemens Lobnig & Matthias Krammerstorfer

Dieser Artikel ist in leicht abgewandelter Form unter dem Titel “Der Erbauer des Pyramids FC” im Ballesterer #140 erschienen.

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