„Meine Bestellung soll mehr Frauen motivieren sich im Fußball zu engagieren“

Ende Juli 2020 war es soweit! Mit Irene Fuhrmann übernahm das erste Mal in der Historie des ÖFB eine Frau den Posten als Teamchefin der Frauennationalmannschaft. B-side.football hat Irene Fuhrmann getroffen um über ihre Vergangenheit, ihre Ziele und über Feminismus zu sprechen.

b-side.football: Herzliche Gratulation zur Bestellung als erste ÖFB Teamchefin! Was sagen Sie dazu, dass es bis zum Jahr 2020 gedauert hat, um in Österreich eine Frau als ÖFB-Coach zu bestellen?

Irene Fuhrmann: Vielen Dank. Das ist rasch erklärt: Aktuell gibt es in Österreich noch sehr wenige Frauen, die den Trainerberuf für sich entdeckt haben und die dementsprechende Ausbildung mitbringen. Leider bin ich aktuell noch die einzige Frau in Österreich mit UEFA Pro-Diplom, der höchsten Trainerausbildung. Der ÖFB ist aber bestrebt, auch Trainerinnen eine noch attraktivere Plattform zu bieten. Im Vorjahr gab es unter anderem erstmals den B-Lizenz-Kurs für Berufsspielerinnen. Das zeigt, dass das Interesse der aktiven Fußballerinnen für den Trainerberuf steigt.

Sie sind die einzige Österreicherin mit einer UEFA Pro Trainerinnenlizenz, ist der Coachingsektor im Allgemeinen zu sehr vermännlicht? (außer dem SKN St. Pölten und FC Südburgenland rein männliche Trainerstäbe in der Planet Pure-BL)

Ohne, dass ich dazu valide Zahlen habe: Aber auch außerhalb des Fußballs ist das Trainerwesen eine männerdominierte Berufssparte. Wie bereits erwähnt, ist es dem ÖFB ein Anliegen, den Trainerberuf auch für Frauen noch attraktiver zu gestalten.

Täuscht Ihre Bestellung über den Missstand der TrainerInnensituation in Ö hinweg? (da jetzt mit Ihnen zwar eine Spitzenposition besetzt ist, in der Breite jedoch sehr wenige Frauen als Trainerinnen aktiv sind)

Ich würde es nicht als Missstand bezeichnen. Frauenfußball ist noch eine sehr junge Sportart. Wir haben in Österreich insgesamt nur sehr wenige Mädchen und Frauen, die überhaupt Fußball spielen oder sich im Fußball engagieren. Dementsprechend gibt es auch sehr wenige Trainerinnen. Es mag stimmen, dass das Potenzial diesbezüglich noch nicht ausgeschöpft ist. Es gibt aber immer mehr Frauen, die den Ausbildungsweg zur Trainerin starten.

Warum musste Maria Wolf den ÖFB-TrainerInnenstab verlassen?

Ich schätze Maria Wolf als Mensch und Trainerkollegin sehr und möchte mich deshalb auch für ihren Einsatz und ihr Engagement für das Frauen-Nationalteam bedanken. Maria wurde unter Dominik Thalhammer als Bindeglied zwischen Trainer- und Analyseteam eingesetzt. Da ich nun beide Bereiche neu aufstelle, habe ich mich auch auf ihrer Position für eine Veränderung entschieden.

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Coachingausbildung für Frauen (auch im Amateurbereich) attraktiver wird?

Es gibt bereits einige Landesverbände die reine Trainerkurse für Frauen abhalten. Das halte ich für sehr wichtig, weil es vielen Frauen den Einstieg ins Trainergeschäft erleichtert. Viele schrecken nach wie vor davor zurück, in einem Kurs mit ausschließlich männlichen Kollegen teilzunehmen. Außerdem hoffe ich, dass durch meine Bestellung vielleicht mehr Frauen den Mut aufbringen, sich im Fußball zu engagieren.

Was waren die größten strukturellen Herausforderungen in Ihrer bisherigen Trainerinnenlaufbahn?

Ich persönlich habe keine strukturellen Hindernisse wahrgenommen. Als ehemalige Bundesliga- und Nationalteamspielerin waren die sportlichen Aufnahmekriterien für mich stets relativ leicht zu erfüllen. Deshalb empfinde ich es als positiv, dass viele Landesverbände vor allem jenen Frauen, die vielleicht nicht auf dem allerhöchsten Niveau gespielt haben, den Einstieg mit eigenen Kursen erleichtern.

Glauben Sie, dass die Familienplanung für viele Frauen ein Stein am Weg zu einem höheren Trainerinnenamt darstellt? 

Ja, wie im Berufsleben auch. Aber die familiäre Situation ist individuell höchst unterschiedlich.

Was sind Ihrer Meinung nach die derzeit größten Trainerinnentalente in Österreich? 

Ich sehe es nicht in meinem Kompetenzbereich, über das Trainertalent anderer zu urteilen. Aber es freut mich, dass immer mehr Frauen den Weg einschlagen.

Welche Maßnahmen wären Ihrer Ansicht nach notwendig um den Frauenfußball in Österreich zu stärken/professionalisieren? (im Vergleich zu Vorreitern wie Schweden, Frankreich oder den USA)

Es sind in den Vergangenen Jahren bereits viele Schritte gesetzt worden. Der ÖFB hat sich mit der Gründung der ÖFB Frauen-Akademie entschieden, zunächst die Spitze zu fördern. Das ist gelungen – die Erfolge, wie der 3. Platz bei der UEFA EURO 2017 sprechen dafür. Auch die Frauen Bundesliga hat unter anderem durch den Gewinn eines Hauptsponsors und die großangelegte Vermarktungsoffensive wichtige Entwicklungsschritte gemacht. Hauptaugenmerkt muss in Zukunft aber vor allem auf der Breite liegen. Wir müssen mehr Mädchen zum Fußball bringen. Nur auf solidem Fundament kann eine starke Spitze nachhaltig bestehen.

©ÖFB

Die größte Herausforderung und auch das größte Ziel ist die Qualifikation für die EURO 2022. Das hat aber nichts mit meiner Bestellung zu tun und damit, dass ich die erste Frau bin. Ich hoffe ganz generell auf weitere Impulse für den Frauenfußball in Österreich. Diese können vor allem über die Erfolge des Frauen-Nationalteams kommen – mit unsere Spielerinnen als Rolemodels für die nächsten Generationen.

Größte Herausforderungen und Hoffnungen als erste ÖFB-Teamchefin?

Müssen Frauen im Fußball mehr leisten und mediale Aufmerksamkeit zu erhalten?

Frauenfußball ist – vergleichen mit dem Männerfußball – insgesamt noch ein kleinerer Markt, deshalb fallen Sponsorengelder und Zuschauerinteresse grundsätzlich geringer aus. Aber die öffentliche Wahrnehmung hat sich – spätestens seit 2017 – ganz klar gesteigert. Was die Leistung betrifft, haben weibliche Profis den gleichen Trainingsaufwand, wie ihre männlichen Kollegen. Generell halte ich aber nichts von Vergleichen zwischen Männer- und Frauenfußball.

Befürchten Sie bei Erfolg nicht gebührend beachtet zu werden und bei Misserfolg an Männern gemessen zu werden?

Nein. Unabhängig davon ob Frau oder Mann – jede Trainerin und jeder Trainer muss im Beruf mit Druck umgehen können. Das gehört zu den Trainerkompetenzen.

derstandard und die Kleine Zeitung beschrieben Sie unlängst als ‘‘Käfig Kickerin“, nur Marketing oder steckt wirklich eine Straßenfußballerin in Ihnen?

Ich habe die Liebe zum Fußball tatsächlich in einem Wiener „Käfig“ entdeckt und von klein auf größtenteils im Ferdinand-Wolf-Park gekickt.

Wie interpretieren Sie den Feminismus-Begriff, ganz unabhängig von Fußball?

Für mich ist Feminismus ein sehr weitgefasster Begriff. Ich würde mich nicht als typische Feministin bezeichnen, auch wenn ich grundsätzlich für Gleichberechtigung bin.

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