Diplomatie & Fußball: Chinesischer Heißhunger auf die Ressourcen im Globalen Süden

In den letzten 20 Jahren hat China die USA als bedeutendsten Investor in Afrika abgelöst. Als Vehikel für diese Entwicklung diente die Gründung des Forums für China-Afrika Kooperation (FOCAC) im Jahr 2000, der eine große Anzahl an and kooperativen und diplomatischen Initiativen folgten. Der Auftritt Chinas in Afrika ist dabei durch starke Verbindungen zwischen Investitionen, Handel und Finanzen charakterisiert. Obwohl traditionell ein Fokus auf Investitionen im Bereich seltener Rohstoffe liegt, machen mittlerweile finanzielle Services, Investitionen in Infrastruktur und Gebäude, und die Herstellung von Waren mehr als 50% der chinesischen Direktinvestitionen in den Ländern Afrikas aus. Über 2200, meist private, chinesische Firmen sind mittlerweile am afrikanischen Kontinent aktiv.

Mehr als vier Prozent, also ein bedeutender Anteil der chinesischen Investitionen, werden im Bereich des Fußballs getätigt. Hier kommt die sogenannte chinesische Stadiondiplomatie ins Spiel, die China insbesondere in Afrika, aber auch in anderen Gebieten des globalen Südens ausübt. Alleine in Afrika wurden bis 2019 rund 70 Fußballstadien in mehr als 30 unterschiedlichen Ländern errichtet. Und viele weitere sind noch geplant. Was aber bezweckt China mit dem Bau der vielen Stadien quer über den Kontinent?

Der Schmäh von der Hilfe ohne Gegenleistung

Der offiziellen Politik Chinas zufolge, bietet man Hilfe ohne Gegenleistung an. Das ist aber naheliegenderweise nicht der Fall. China errichtet die Stadien insbesondere in jenen Ländern, die einen hohen Reichtum an natürlichen Ressourcen aufweisen, welche wiederum eine gewichtige Rolle im Aufbau der rasant wachsenden chinesischen Ökonomie spielen. Als Gegengeschäft für die Errichtung von großen Infrastrukturprojekten oder die Bereitstellung billiger Kredite, fordert die Volksrepublik China oft den Zugang zu diesen Ressourcen. Beispiele dafür sind zahlreich: Für die Austragung des Afrika Cups 2010 in Angola errichteten die Chinesen vier große Fußballstadien. Zum Ausgleich erhielten chinesische Firmen eine Art Vorrecht auf die Nutzung der angolanischen Ölfelder, was dazu führte, dass Angola heute der zweitgrößte Erdölexporteur für die chinesische Wirtschaft ist. Wikileaks zu Folge bekam der chinesische Staat Zugang zur riesigen Fischereiindustrie in Limbe (Kamerun), nachdem zuvor ein 20.000 Menschen fassendes Fußballstadion dort gebaut wurde. In Jamaika gelten die großen Bauxitvorkommen, welches zur Herstellung von Aluminium benötigt wird, als Objekt der chinesischen Begierde. Auch dort ließ man ein Stadion errichten. Als in Laos im Jahr 2009 die 25. Südostasienspiele über die Bühne gingen, errichteten chinesische Firmen das „New Laos Stadium“ um dafür Vergütung der besonderen Art zu erlangen. Der chinesische Staat erhielt das alleinige Nutzungsrecht für ein etwa 4000 Hektar großes Gebiet in den That Luang Sümpfen. Während es zur großflächigen Vernichtung ökologisch und kulturell wertvoller Landschaften und Tempeln kam, profitierte China stark davon: Alle dort befindlichen Hotels, Geschäfte und Häuser wurden von chinesischen Arbeitskräften errichtet. Manuel Lopes Nascimento, der Präsident des Fußballverbands von Guinea Bisau, gibt sich bezüglich der chinesischen Pläne keinen Illusionen hin: „Die Gegenleistung für die chinesischen Investitionen, oder die sogenannte ‚Hilfe‘, ist die Nutzung unseres Meeres und unserer Wälder.“

Betrachtet man die Sache näher, so sieht man deutlich, dass China in erheblich größerem Ausmaß von dieser Politik profitiert, als dies die Empfängerländer in der globalen Peripherie tun. Beim Bau des 35000 Personen fassenden Ombaka Stadion in Benguela (Angola) kamen 700 chinesische Ingenieure und Arbeiter zum Einsatz während auf die Hilfe einheimischer Arbeitskräfte beinahe vollständig verzichtet wurde. China ist dabei für den gesamten Prozess bis zur Fertigstellung der Stadien verantwortlich: Organisation, Machbarkeitsstudien, Design, Errichtung, Arbeitsgeräte, Materialen, Ingenieure und Techniker. Alles liegt in chinesischen, (fast) nichts in afrikanischen Händen.

Hohe Folgekosten

Zusätzliche Kosten, wie jene für die Instandhaltung der Stadien, die sehr oft nach den Turnieren, für die sie errichtet wurden keine Verwendung mehr haben, werden den betroffenen Nationen aufgebürdet. Diese Kosten können häufig nicht bezahlt werden, und so gibt es eine Vielzahl an Beispielen von Stadien, die nach kurzer Zeit bereits vor sich hin rotten. Bei einem Lokalaugenschein der jamaikanischen Tageszeitung „Jamaica Observer“ im Jahr 2013, glich das erst 2007 errichtete Sligoville-Stadion bereits einer Ruine. Zerstörte Sitzgelegenheiten und eine Vegetation, die sich das Stadion nach und nach zurückholte, prägten das Bild. Ganz ähnlich sieht die Situation auf den Cook Inseln aus, wo die mit chinesischem Geld errichtete Telekom Sports Arena wenige Jahre nach ihrer Fertigstellung von der Zeitung „Cook Island News“ als „undicht, rostig und auseinanderfallend“ beschrieben wurde. In Harare, Zimbabwe, wo China 1987 ein neues Nationalstadion bauen ließ, musste dieses schon ein paar Jahre später wegen Baufälligkeit wieder geschlossen werden. Erst eine Finanzspritze Chinas im Wert von 5,8 Millionen Dollar ermöglichte im Jahr 2006 die notwendigen Reparaturen. Zum Preis einer noch größeren Abhängigkeit Zimbabwes von China.

Dazu gesellt sich noch ein weiterer interessanter Aspekt bezüglich der chinesischen Stadiondiplomatie. Von den 15 Ländern, die Taiwan als eigenständige Nation anerkennen, liegen zehn in Mittelamerika und der Karibik. Mit Hilfe der Förderung großzügiger Infrastrukturprojekte versucht die Volksrepublik China diese Staaten (zum Teil mit Erfolg) dazu zu bewegen, ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Taiwan abzubrechen und sich stattdessen China anzunähern. In Afrika verfolgt China hingegen eine andere Strategie. Am afrikanischen Kontinent ist Swasiland das einzige Land, dass nicht von China unterstützt wird. Und „zufälligerweise“ ist Swasiland auch das einzig verbliebene afrikanische Land, dass diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhält.

Viele werden nun danach fragen, warum die betroffenen Staaten das machen. Was haben die Länder davon? Die Stadien dienen häufig zu Repräsentations- und auch Propagandazwecken. Viele Machthaber veranstalten in ihnen große Paraden, beispielsweise zu Nationalfeiertagen. Weiters dienen die Stadien oft dazu, große kontinentale Turniere wie den Afrika Cup auszutragen. Mit der Austragung solcher Großveranstaltungen, deren Wirkmächtigkeit weit über die nationalen Grenzen hinausreicht, versuchen die jeweiligen Länder ihren Status als moderne Nationen hervorzuheben.

In der Zwischenzeit hat die Anzahl der von China weltweit errichteten Sportstätten die 100 überschritten und es sieht nicht so aus, als würde sich diese Entwicklung einbremsen. Eher im Gegenteil. Die Anzahl der Stadien wird aufgrund Chinas ausufernden Plänen zur Erschaffung der weltweit größten Fußballökonomie bis zum Jahr 2050 noch schneller anwachsen. Mit Kambodscha steht bereits die nächste Nation auf der Liste derjenigen Länder, die von China neue Stadien erhalten sollen. Was die Gegenleistung dafür sein wird, wird sich noch herausstellen.

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