Mitten in die brüchige Pyramide

Geisterspiele, politische Machtkämpfe, organisatorisches Chaos. Konflikte im ägyptischen Fußball, sind allgegenwärtig. Umso verwunderlicher ist, dass das nordafrikanische Land den Zuschlag für den diesjährigen Afrika Cup gegenüber Südafrika erhalten hat. Zu groß scheinen die verschleppten Probleme der letzten Jahre und zu starr die Strukturen, um diese lösen zu können. Trotzdem könnte gerade die Ausrichtung des AFCON auch eine Chance sein, um Fehlentwicklungen zu korrigieren.

Kamerun wurde im Winter 2018 das Austragungsrecht zum Afrika Cup 2019 aufgrund von infrastrukturellen Mängeln entzogen. Daraufhin hatten sich Südafrika und Ägypten in einem Eilprozess um den Austragungsort beworben und das Rennen um den AFCON 2019 schien eigentlich eine klare Angelegenheit zu werden. Nicht nur aufgrund der vorhandenen Infrastruktur, sondern auch wegen der sportlichen Organisation und dem Frieden im Land, sahen Beobachter Südafrika als die logische Wahl. Auch die modernen Stadien im Land, deren nachhaltige Instandhaltung bereits vor 2010 diskutiert wurde, sollten nach 2013 endlich wieder für eine Großveranstaltung benutzt werden. Doch entgegen aller Erwartung bekam Ägypten mit 15 zu 1 Stimmen den klaren Zuschlag.

Umgehend wurde diskutiert, ist Ägypten überhaupt bereit für die problemlose Abhaltung des AFCON 2019? „Ob wir den Afrika Cup besser abhalten können als Südafrika? Ich weiß es nicht.“ sagte Marwaan Said, der Chefredakteur des ägyptischen Sportportals Kingfut, zum kenianischen Sender CGTV. Vor allem, da sich der ägyptische Fußball aktuell in der Krise befindet. Dabei sind es jedoch weniger die sportlichen Probleme, die das Land des siebenfachen Afrika Cup Siegers plagen. Viel mehr aber hat Ägypten mit einem organisatorischen Chaos in der eigenen Liga zu kämpfen und zusätzlich ein massives Sicherheitsproblem. Zu allem Überfluss hat sich die ägyptische Liga zum Schauplatz für Machtkämpfe der mächtigsten Fußballpräsidenten des Landes entwickelt. Vor allem der Zwist zwischen den Präsidenten von Al Ahly, Zamalek SC und dem neureichen Pyramids FC, schwächt die Entscheidungsfähigkeit der EPL bei organisatorischen Herausforderungen. So kommt es zum Beispiel, dass sich das Saisonfinale der ägyptischen Liga und der Afrika Cup überschneiden werden. Ein normalerweise undenkbares Problem für Gastgeber eines Fußballgroßevents. Der Afrika Cup 2019 fällt damit mitten in die wahrscheinlich schwierigste Saison die der ägyptische Fußballhistorie.

Gretchenfrage Sicherheit

Seit den Stadionausschreitungen von 2012 und 2015, die einige Tote forderten, dürfen fast keine Fans mehr ins Stadion. Höchstens 5000 bei der Regierung registrierte Fans sind bei ausgewählten Matches erlaubt. Seit der Machtübernahme durch Abdel Fatah al-Sisi im Jahr 2013, der die politische Macht der Ultras erkannt hatte, hagelte es zunehmend Repressionen gegenüber den organisierten Fangruppen. Es kam zu Verhaftungswellen und die größten Ultragruppen des Landes existieren heute quasi nicht mehr. Ein Mitglied der Ultragruppe White Knights von Zamalek, ließ im Gespräch mit dem Guardian wissen: „Ich war seit Jahren bei keinem Match mehr, und ich werde jetzt nicht wieder damit anfangen. Ich bin nicht so dumm den Sicherheitsdiensten meine Adresse, meinen Arbeitsort und meinen vollen Namen zu geben.“ Die Sicherheitsfirmen bestimmen, welche Matches ausgewählt werden und haben unter dem Aspekt der „nationalen Sicherheit“ die Personendaten aller Fans im Stadion. Regierungskritische Parolen oder Banner gegen das Versagen der Sicherheitsorgane sind damit auch aus dem Stadion verbannt worden. Wie soll also ein Land plötzlich mit unzähligen Fans zu Recht kommen, wenn die eigenen Anhänger nur mithilfe von Unterdrückung in Schach gehalten werden können? Und das in einem Jahr, wo erstmals gar 24 Teilnehmernationen um den Titel kämpfen.

Dass die großen Mängel in Sicherheitsfragen zu einem Problem für das Turnier werden könnte, sieht der Sportminister Ägyptens Ashraf Sobhi allerdings nicht. “Ägypten hat die Möglichkeiten einen solchen Bewerb auszurichten und wäre auch jetzt stolz darauf es zu tun. Die ägyptischen Menschen sind immer bereit für solche Ereignisse, wir haben Strukturen auf höchstem Level und haben auch schon Wettbewerbe ausgerichtet.” gab er in einem Bewerbungsprozess der CAF Mitte Dezember bekannt. Einen Monat später musste man jedoch ansehen, wie ägyptische Fans beim afrikanischen Champions League Spiel von Ismaily SC Steine im Stadion geworfen haben, sodass das Spiel abgebrochen werden musste. Dass solche Vorkommnisse auch beim AFCON möglich sein könnten, glaubt Sportjournalist Ali Ismail aber nicht. „Bei Spielen des Nationalteams ist das Publikum oft ein anderes als bei Ligamatches, organisierte Fans kommen im Normalfall nicht. Außerdem funktionieren die Sicherheitscheckpoints bei den Spielen des Nationalteams meistens sehr zuverlässig. Ich glaube aber nicht, dass die Regierung Fans per se loswerden will, ich glaube sie wollen den Anteil an organisierten Fangruppen minimieren, von denen sie glauben sie seinen gewaltbereit und politisch bedrohlich für sie.“

Das äußert sich auch darin, dass es zum Betreten der Spiele notwendig ist, seine privaten Daten in einer Datenbank zu hinterlassen. Der ägyptische Staat geht nun davon aus, dass die politische Schlagseite mit der Exilierung der Ultras erfolgreich aus den Stadien verbannt wurde. Nun bleibt noch die Frage, ob Ägypten bereit für die spontane Ausrichtung eines solch großen Turniers ist, oder ob der Afrika Cup zu früh kommt. Geht es nach dem ägyptischen Journalisten El Masry, ist der Zeitpunkt ideal: „Es ist zwar eine große Aufgabe für Ägypten, sich innerhalb so kurzer Zeit auf ein solches Event vorzubereiten, aber wir nehmen die Herausforderung an und der Afrika Cup 2019 wird einer der besten in der Geschichte werden um der restlichen Welt zu zeigen, dass Ägypten nach den problematischen Jahren wieder auf dem besten Weg ist zurück zu kommen.

Text: Matthias Krammerstorfer & Klemens Lobnig

Dieser Text ist in leicht abgewandelter Form unter dem Titel “Spiele mit Sphinx” auch im Ballesterer #142 erschienen.

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