Wenn das Vereinstier das eigene Wappen schluckt
Fans des St. Pöltner Fußballs sind es gewohnt, dass sich der Name, das Wappen oder die Farben ihres Vereins oft ändern. Unter dem Titel #onevision, der Namensänderung in spusu SKN St. Pölten und der Auslöschung des alten Klubwappens, sollen angestrebte Ziele erreicht werden. Die Frage ist nur für wen.
Einst kickten Europameister wie Antonin Panenka und Weltmeister wie Mario Kempes in Sankt Pölten, doch einen einfachen Stand hatte der Männerfußball in der niederösterreichischen Landeshauptstadt nie. Die Stars auf dem Voithplatz waren Ende der 1980er Jahre nur ein kurzer, titelloser Höhepunkt in einer von Fusionen und niedrigen Zuschauerzahlen geprägten Geschichte des Fußballs in der Stadt. Statt großer Erfolge kam 1998 der finanzielle Zusammenbruch. Die Voith-Schwarze Elf Sankt Pölten wurde zunächst abermals fusioniert, dann ganz aufgelöst. Im Juli 2000 konstituierte sich mit dem SKN Sankt Pölten zwar nicht der formale, aber zumindest der ideelle Nachfolger.
Von der VSE übernahm der Klub nicht viel. Aus den Farben Schwarz und Blau wurden Blau, Gelb und Rot. Das Wappen wurde komplett neu gestaltet – nur ein abstrakter Wolfskopf erinnerte noch an die Wurzeln des Sankt Pöltner Fußballs. 2012 verabschiedete sich der Klub auch von der historischen Heimstätte. Statt am Voithplatz im Süden der Stadt spielen die Sankt Pöltner nun in der neuen Arena am anderen Ufer der Traisen im Norden. In unmittelbarer Nähe zur Autobahn bekamen die Fans in den letzten Jahren dort einiges zu sehen: 2014 erreichte der Zweitligist als Cupfinalist den Europacup, 2016 stieg er in die Bundesliga auf, in der aktuellen Saison überwinterte er als Dritter. In der Winterpause lud der Klub ins Stadion, um die jüngsten Pläne für eine erfolgreiche Zukunft zu präsentieren: eine intensivierte Partnerschaft von zwei Wohlfühlmarken – gemeint waren damit der SKN Sankt Pölten und der Mobilfunkanbieter Spusu. In dem Paket enthalten waren ein neues Vereinslogo und die Integration des Sponsors in den Klubnamen.
Gekappte Wurzeln
Nun sorgt eine Sponsorenerwähnung im Klubnamen nicht unbedingt für Schlagzeilen, immerhin bewerben sieben der zwölf Bundesligisten in ihrem Namen alle möglichen Produkte: von Druckerzeugnissen und Sportwetten über Milchderivate und Heizmaterialien bis zu Bier und Energydrinks. Den Unmut der Fans erregte auch eher die zweite Neuerung: das Logo. Dort schluckt nämlich das historische, nun mit einem Sponsorenschriftzug versehene Wappentier das alte Vereinslogo der Sankt Pöltner. „Das neue Logo mag ja vielleicht hip und modern wirken, würde bestimmt auch gut zu einer Werbeagentur passen, ist aber definitiv als Vereinswappen untragbar“, hieß es in einem Statement der Ultragruppe „Wolfbrigade04“. „Im November sind uns erste Entwürfe vorgelegt worden, wir waren aber gegen eine Änderung“, sagt Florian von den Ultras dem ballesterer. „Zumindest ist die Wappenform im Hintergrund an das alte SKN-Logo angepasst worden.“
Neu ist die Partnerschaft zwischen Spusu und dem SKN nicht. Im Sommer 2018 wurde dem Einstieg des Mobilfunkanbieters als Hauptsponsor jedoch relativ wenig mediale Aufmerksamkeit geschenkt. Das dürfte auch Spusu gemerkt haben. „Wir erwarten uns durch die Namensintegration natürlich eine Multiplikation unseres Bekanntheitsgrades“, wird Geschäftsführer Franz Pichler auf der Vereinshomepage des SKN zitiert. Klubmanager Andreas Blumauer sagte: „Wir haben die statischen Konturen aufgebrochen und den Wolf noch stärker als prägendes Element des Vereins in den Vordergrund gestellt. Wir haben aber nicht unsere Wurzeln vergessen und diese optimal in das neue Design integriert.“ Dass manchen Fans die Wurzeln des Vereins dennoch zu kurz kommen, erklärt Florian so. „Im alten Wappen waren historische Elemente der VSE und der Stadt integriert, jetzt sieht man eigentlich nur mehr den blauen Wolfskopf.“
ohne Sponsor aber mit Kempes
Der Sponsor hat durch die neue Partnerschaft sicher eine größere Reichweite bekommen, schließlich prangt das neue Wappen jetzt auf offiziellen Tabellen, und Fernsehkommentatoren erwähnen den Sponsorennamen des Klubs. Dennoch könnte sich der Verein mit der Kampagne geschadet haben. Zumindest schlägt die strategische und mediale Ausrichtung des SKN nicht so ein, wie es sich die Klubführung vermutlich erhofft hätte. Auf Twitter blieb die Followerwelle trotz des guten Tabellenrangs und des neuen Mottos #onevision genauso aus wie Facebook-Likes. Dort hat der SKN immer noch weniger Unterstützung als die Tabellenschlusslichter Admira und Altach oder der Zweitligist SV Ried. Ein Monat nach dem Rebranding des SKN wurde das #onevision2019-Video, in dem sich der Verein mit dem neuen Logo als impulsiv und zukunftsorientiert darstellen will, gerade einmal 150-mal aufgerufen. Einer dieser Clicks stammt von „Wolfbrigade“-Sprecher Florian. „Wir sind gefragt worden, ob wir bei dem Video mitmachen wollen, aber als wir erfahren haben, dass es eigentlich für Spusu geplant war, haben wir sofort abgelehnt“, sagt er. „Trotz der Aussicht auf neue Trommeln und Fahnen für die ‚Wolfbrigade‘. Das Video repräsentiert weder die Fans noch die Stadt.“
Doch nicht nur der Kern der Wolfbrigade ist gegen die Änderung des Vereinswappens. Das zeigte sich spätestens beim Heimspielauftakt der Rückrunde gegen Rapid. Eine aufwändige Choreographie, bei der sich der gesamte Mittelblock mit rund 300 Leuten beteiligt hatte, wurde präsentiert. Spruchbanner mit eindeutigen Aussagen wie „Vereinswappen unverhandelbar“ oder „Football is for you and me, not for spusu-telephony“ zierten die NV Arena im ersten Heimspiel des SKN unter neuem Namen. Doch damit hört der Protest nicht auf. „Es war ja erst das erste Spiel unter dem neuen Logo, vielleicht werden wir noch mit der ein oder andern Aktion auf uns aufmerksam machen, auch bei Auswärtsmatches.“ so Florian im Interviewgespräch. „Mottofahrten“ im Frühling sind schon geplant so der Sprecher der Ultras. Dort wird bewusst mit den alten Dressen zu Auswärtsmatches gefahren. Von anderen organsierten Fangruppen kam bisher keine offizielle Reaktion. Florian bestätigt die positive Resonanz zu den Fanprotesten im ersten Heimspiel aus dem Dunstkreis der Vienna- und Wiener Sportclub Supporter. Auch wenn das die einzige Reaktion bleiben sollte, einen prominenten Unterstützer hat die Wolfbrigade sicher, zumindest auf ihren Stickern. Hier grinst einem ein ehemaliger Weltmeister mit altem SKN-Dress entgegen: „Mario Kempes findet Vereinsnamen und Wappen ohne Sponsor weltmeisterlich“.
Dieser Text ist auch unter dem Titel: “Im Zeichen der Wölfe” im Ballesterer #140 erschienen.