Saudischer Super-Coup

Der italienische Supercup im Jänner 2019 wurde in Saudi-Arabien ausgetragen. Das Finalspiel in Dschidda ist Teil des saudischen Fußballplans, hinter dem ein direkter Vertrauter von König Mohamed bin Salman steht.

Nur 150 Kilometer trennen Mailand und Turin. Das Finale der italienischen Supercoppa zwischen AC Milan und Juventus fand dennoch im 3500 Kilometer entfernten Dschidda in Saudi-Arabien statt. Mehr als 20 Millionen Euro hatte das saudische Sportministerium der italienischen Serie A bezahlt, um drei der nächsten fünf Supercup-Finali ins Land zu holen.

Es war aber nicht das erste Mal, dass sich der italienische Verband (FIGC) durch das Geld dubioser Regime zur Finalaustragung in einem demokratiefeindlichen Land hinreißen ließ. Am Finale im lybischen Tripolis 2002 verdiente die FIGC über 6 Millionen Euro, bezahlt vom damaligen Diktator Muammar Gaddafi. Endspiele fanden in den letzten Jahren auch in China (2009, 2011, 2012 und 2015) oder in Katar (2014 und 2016) statt.

Die Motive von Käufer und Verkäufer sind offenkundig: Die Serie A und die beiden teilnehmenden Klubs bekommen Millionen für ein sportlich betrachtet bedeutungsarmes Spiel. Saudi-Arabien versucht hingegen mit der Vermarktung und Ausrichtung der Supercoppa sein Image zu verbessern. Im Demokratie-Ranking des „The Economist“ (2012) liegt die Monarchie an 163. Stelle von 167 Ländern. „Reporter ohne Grenzen“ listet Saudi-Arabien auf Platz 168 von 180 Ländern ihres Pressefreiheitindex’.

Der saudische Fußballplan

Die Führung des Landes ist sich bewusst, dass eine gewichtige Einflussnahme auf den Weltfußballmarkt nur dann möglich ist, wenn der Anschein einer verbesserten Menschenrechtslage erregt wird. Stadionöffnung (nur in abgetrennten Bereichen und in männlicher Begleitung) und Führerscheinerlaubnis für Frauen sowie eine Lockerung der Bekleidungsvorschrift sollen die katastrophalen menschenrechtlichen Bedingungen im Land kaschieren.

Drahtzieher hinter den Bemühungen des saudischen Königreichs ist Turki Al Sheikh. Dieser wurde von Kronprinz Mohamed bin Salman dazu beauftragt, Saudi-Arabien ins Machtzentrum des globalen Fußballs zu hieven. Einerseits soll dadurch die politische Soft Power des Landes gesteigert werden, andererseits versucht Saudi-Arabien, mit dem Investitionsboom der chinesischen, emiratischen und katarischen Konkurrenz Schritt zu halten. Angesichts Chinas staatlichem Fußballplan, Katars WM-Ausrichtung 2022 und des großen Einflusses der Vereinigten Arabischen Emirate im europäischen Spitzenfußball, sieht sich Saudi-Arabien gezwungen, noch aggressiver nach Bereichen der Einflussnahme zu suchen.

Turki Al Sheikh reformierte in den letzten Jahren die heimische Liga, indem er die Vereine von der saudischen Elite privatisieren ließ und kaufte den ägyptischen Klub Pyramids FC, um die Einflussnahme im arabischen Raum zu erweitern. Im Jänner des Vorjahres fädelte er einen Millionendeal mit der spanischen Liga ein, im Zuge dessen neun saudische Nationalspieler zu spanischen Erst- und Zweitligavereinen verliehen wurden. Gemeinsam brachten es die neun Spieler auf 59 Einsatzminuten in der gesamten Rückrunde. Al Sheikh war es auch, der 2017 eine Kooperation mit Manchester United abschloss und den Nationalstürmer Mohammed Al Sahlawi für ein Trainingslager beim englischen Rekordmeister unterbringen konnte. Nun wurde das Supercup Finale 2019 im King Abdullah Sports City Stadium in Dschidda gespielt, mit Stars wie Christiano Ronaldo und Gianluigi Donnarumma. Es war der bisher größte Coup Al Sheikhs in Sachen Imagepolitur.

Fans rufen zum Boykott auf

In Italien regte sich verhaltener Widerstand. Der Mord am regierungskritischen Journalist Jamal Khashoggi brachte die italienische Journalistenvereinigung dazu, vor dem saudischen Konsulat in Rom unter dem Motto „Un Calcio Ai Diritti Umani“ (Ein Fußtritt gegen Menschenrechte) zu protestieren. Der ehemalige italienische Sportminister Luca Lotti forderte die Absage des Finalspiels in Dschidda. NGOs und Fangruppen von Milans und Juventus riefen zum Boykott des Spiels auf.

Der Präsident der Serie A, Gaetano Micciché, wurde von italienischen Abgeordneten aufgefordert wurde, den Deal mit Saudi-Arabien abzusagen. Micciché rechtfertigte das Vorhaben ebenso mit wirtschaftlich begründeten Argumenten wie die Klubs. „Ich glaube, dass Italien und Saudi-Arabien gute politische und wirtschaftliche Verbindungen zueinander pflegen. Die Serie A hat einen Vertrag abgeschlossen und wir werden dorthin fliegen“, sagte Juventus-Trainer Massimiliano Allegri und bezeichnete den einmaligen, selbstbestimmten Stadionzugang von Frauen als Fortschritt. Vom saudischen Sportministerium bekamen Allegris Arbeitgeber Juventus wie der Gegner aus Mailand je 3,5 Millionen Euro Antrittsgeld. Unabhängig vom Ergebnis, ein lukratives Spiel für beide.

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