Das Ende der chinesischen Megatransfers

Marko Arnautovic wechselt nicht nach China, die von West Ham geforderte Ablösesumme war zu hoch. Das hat auch mit den neuen Bestimmungen des chinesischen Verbands zu tun, der dem Transfergebaren seiner Klubs Einhalt gebieten möchte.

„Ich bin sehr froh darüber und ich möchte den Fans sagen, dass ich glücklich bin, zu bleiben“, schreibt Marko Arnautovic auf Instagram zu seinem Verbleib bei West Ham United. „Es ist kein Geheimnis, dass ich ein Angebot vorliegen hatte. Doch ich habe mich dazu entschieden, es abzulehnen.“ Als Resultat der Wechselgerüchte hat Arnautovic einen neuen, noch lukrativeren Vertrag bei West Ham bekommen. Von bis zu 50 Millionen Euro war die Rede, die Shangai SIPG oder Guangzhou Evergrande für den Wiener zahlen sollten. Schließlich dürfte die Summe den chinesischen Spitzenvereinen dann doch zu hoch gewesen sein.

Der chinesische Fußball hat sich verändert. Die Zeiten, in denen Alex Teixeira, Hulk oder Oscar für Beträge jenseits der 50 Millionen Euro nach China wechselten, scheinen vorbei zu sein. Denn seit 2013 bemüht sich der chinesische Verband verstärkt um eine schrittweise Reduktion der Legionäre. Im Frühjahr 2017 legte er fest, dass die chinesische Vereine mindestens gleich viele chinesische U23-Spieler aufs Feld schicken müssen wie Legionäre. Maximal vier ausländische Fußballer dürfen im Kader stehen. Hinzu kommt eine neue „Transfersteuer“. Die neue Strategie soll vor allem dem chinesischen Nationalteam helfen.

Doppelte Ablösesummen

Wenige Wochen vor Beginn des Sommertransferfensters 2017 führte der Verband eine neue Gebühr ein, wodurch sich die Spielregeln für die Vereine der Chinese Super League grundlegend geändert haben. „Irrationale Ausgaben einzudämmen“, war das kommunizierte Ziel des chinesischen Verbandes damals. Die Steuer betrifft sowohl die Transfers von chinesischen Spielern als auch jene von Legionären. Beträgt die Ablösesumme für einen ausländischen Spieler mehr als sechs Millionen Euro oder für einen chinesischen Spieler mehr als drei Millionen Euro, muss der neue Verein 100 Prozent der Ablösesumme in einen staatlichen Fußballentwicklungsfond einzahlen. Aus diesen Mitteln werden staatliche Fußballprojekte zur Entwicklung des chinesischen Basisfußballs unterstützt. Liegt die Ablösesummer unter diesen Beträgen, müssen die Vereine die Gebühr trotzdem zahlen. Allerdings fließt sie dann wieder an den Klub zurück, mit der Auflage, dass sie in den vereinseigenen Nachwuchs investiert wird. So oder so – die Transferkosten in China haben sich verdoppelt

Seitdem ist Zurückhaltung eingekehrt. “Es werden nun deutlich weniger ausländische Spieler nach China transferiert, während jene Spieler, die gekommen sind, für geringere Ablösesummen und niedrigere Gehälter gewechselt sind, als es noch 2015 und 2016 der Fall war“, sagt Professor Simon Chadwick zu ballesterer.at. Er ist Mitbegründer des “Chinese Soccer Observatory” an der Universität Nottingham. Mit den Wechseln von Cedric Bakambu zu Beijing Guoan und Paulinho zu Guangzhou Evergrande gingen im Jahr 2018 zwar noch zwei spektakuläre Transfers über die Bühne. Doch ein Wechsel von Andres Iniesta in die Super League zerschlug sich im Sommer. Bot Chongqing Lifan anfangs noch 81 Millionen Euro für den ehemaligen Barcelona-Kapitän, erklärte der Verein im Laufe der Verhandlungen, dass er Interesse daran habe, „rationale Investitionen“ zu tätigen. Für den Großteil der neu verpflichteten Legionäre wurde aber eine Ablösesumme gezahlt, die knapp unter der Grenze liegt, ab der die neue Gebühr schlagend wird. So zum Beispiel bei Anderson Talisca (5,8 Millionen), Éder (5,7 Millionen) oder Nico Gaitán (5,75 Millionen).

Der Transfer von Cedric Bakambu zu Beijing Guoan zeigte aber auch, dass es Versuche gibt, die neue Steuer zu umgehen. Bakambu soll seine Ausstiegsklausel nach offiziellen Angaben selbst bezahlt haben. Als vereinsloser Spieler wurde Bakambu daraufhin vom Verein aus Peking unter Vertrag genommen. Auf direktem Weg ist also keine Ablösesumme von China nach Spanien geflossen. Schlussendlich griff der chinesische Verband ein: Er ließ die Regeln ändern, um diese Lücke zu schließen und Beijing Guoan musste die Gebühr bezahlen.

Kapitale Probleme

Zusätzlich eröffnet sich eine weitere Dimension, die das Handeln am chinesischen Transfermarkt erschwert. Einige chinesische Clubs sind in eine finanzielle Schieflage geraten und besitzen weit weniger Geld als noch vor kurzem. Dazu wird die Ausfuhr von chinesischem Kapital vom Staat im Moment stark kontrolliert und eingeschränkt. Professor Simon Chadwick sieht darin eine zusätzliche Hürde. „Geld aus China hinaus zu bekommen ist eine große Herausforderung, weil die Übersee-Transaktionen genau kontrolliert werden“, sagt Chadwick.

Die neu eingeführten Regelungen sind eine Reaktion auf den zunehmend außer Kontrolle geratenen Fußballmarkt in China. In einem größeren Kontext betrachtet sind die neuen Bestimmungen Reparaturmaßnahmen in einem rissig gewordenen Plan zur Veränderung der globalen Machtverhältnisse im Fußball. Dabei steht im Zentrum der staatlichen Fußballstrategie immer das Ziel, über ein konkurrenzfähiges Nationalteam zu verfügen. Bis es soweit ist, wird es aber noch dauern. Wie schon vor vier Jahren schied China beim laufenden Asien-Cup im Viertelfinale aus.

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