Geschichten aus dem afrikanischen Fußball

Der Afrika Cup 2019 ist gerade erst vorbei. Eine gute Gelegenheit um einen historischen Abriss über die Entstehungsjahre des afrikanischen Fußballs zu wagen und sich dessen Auswirkungen anzuschauen. So vielfältig wie Afrika ist, so unterschiedlich sind auch die Ausprägungen von Fußball am Kontinent. Diese Geschichte lässt sich nicht losgelöst von kolonialen Einflüssen erzählen, dennoch prägten auch einige afrikanische Akteure den kontinentalen Fußball entscheidend mit.

Afrikanischer Fußball ohne Afrikaner

1862, Port Elisabeth in Südafrika. Hier fand das erste dokumentierte Fußballspiel auf dem afrikanischen Kontinent statt. Afrikaner spielten jedoch keine mit. Das Spiel war ausschließlich weißen Männern erlaubt. In der britischen Natal-Kolonie entstanden durch den anwachsenden Einfluss der Engländer die ersten afrikanischen Fußballvereine. Im Jahr 1880 wurden die Vereine Natal Wasps FC und der Pietermaritzburg Country Football Club ins Leben gerufen. Südafrika war auch das erste Land am Kontinent, indem ein nationalstaatliches Organisationskonstrukt für Fußball entstand. Der Dachverband SAFA (South-African Football Association) wurde 1892, nach Vorbild der englischen FA, gegründet. Auch in den nordafrikanischen Ländern Algerien, Tunesien und Ägypten, wurden in enger Korrelation zu den französischen Kolonialinstitutionen und den Siedlern, Fußballklubs gegründet. Den Anfang machte ein Verein aus der algerischen Stadt Oran, der Mitte der 1890er Jahre gegründet wurde. 1906 und 1907 folgten die heute noch sehr erfolgreichen Klubs, Racing Club Tunis und Al-Ahly Kairo. Seine weitere Verbreitung in Afrika verdankte Fußball dem aufkommenden Eisenbahnnetz und hauptsächlich den bedeutendsten Handelshäfen im Westen. Was heute große Versandkonzerne sind, waren im 19. Jahrhundert die Häfen wichtiger Städte wie Barcelona, Kapstadt oder Rio de Janeiro. Internationaler Handel und globaler Warenverkehr ließen diese Orte zur Blüte des kulturellen Austausches werden und halfen auch dem Fußballsport sich in der ganzen Welt zu verbreiten. Nachdem damals an den Küstenstreifen von Nord- und Südafrika bereits gekickt wurde, verbreiteten britische Seeleute das Spiel an der Westküste des Kontinents. Ab 1911 wurde dann auch im Landesinneren des subsaharischen Afrika Vereinsfußball gespielt. Wieder waren es europäische Arbeiter und Siedler, die Klubs in Senegal und dem Kongo etablierten. Etwas länger brauchte der Sport, um Ostafrika zu erreichen. Arbeiter der britischen Eastern Telegraph Company wurden auf die Insel Sansibar geschickt, die heute besser als Tansania bekannt ist, um unterirdische Telekabel nach Südafrika zu verlegen. In ihrer Freizeit spielten sie Fußball, öfter auch mit einheimischen Männern, sodass das Spiel in den 1910er Jahren in vielen Bereichen Afrikas bereits sehr populär war.

Revolution durch Passion

Rassentrennung und die systematische Ausgrenzung afrikanischer Akteure vom offiziellen Fußball waren dennoch an der Tagesordnung. Dem Umstand der immer größer werdenden Passion und dem allgemein wachsenden Interesse für diesen Sport, stand das aber nicht im Weg. Auch weil Fußball, im Gegensatz zu Cricket und Rugby, nie den mit dem Brandmal des kolonialen Imports versehen war. Das erste dokumentierte Match zwischen Afrikanern und Europäern fand schließlich am 16. Juli 1904 in Nigeria statt. Seeleute eines britischen Dampfers spielten gegen Mitarbeiter der nigerianischen Hope Waddell Training Institution. Ein Ergebnis dieser Paarung ist leider nicht überliefert. Wenn also über die Anfänge des Fußballs in Afrika gesprochen wird, muss berücksichtigt werden, dass es über 40 Jahre dauerte, bis der Sport auch von der lokalen Bevölkerung offiziell ausgeübt werden konnte. 1906 rief der als Handelsvertreter nach Nigeria entsandte Frederick Mulford, das erste offizielle Turnier in Afrika ins Leben, den Beverly Cup. Auf Pferderennbahnen organisierte er im damals schon fußballbegeisterten Lagos, Spiele zwischen den kolonialen Berufsgruppen und lud relativ bald auch nigerianische Teams ein. Mulford war innerhalb kurzer Zeit eines der wenigen positiven Symbole der britischen Fremdherrschaft in Nigeria, da er in den folgenden Jahren als Trainer, Veranstalter und Vermittler den Fußball im Land fast im Alleingang organsierte. Von der lokalen Bevölkerung wurde er „Baba Eko“ genannt, was so viel wie „unser Vater“ bedeutet. Fußball wurde anfangs zwar als christliche Bekehrungsmaßnahme von den Missionaren verwendet, jedoch entwickelte er in den folgenden Jahrzehnten seine ganz eigene Dynamik. In Nigeria sah man auch, dass Fußball in kolonialen Unabhängigkeitsbestrebungen oder auch als Mittel der Kolonialmachtkritik eine Rolle spielte. Der spätere erste Präsident des Landes, Nnamdi Azikiwe, schrieb über die Unzufriedenheiten der Bevölkerung am britischen Kolonialsystem, die auch im Fußball zu spüren war. Als Matches zwischen den kolonialisierten Ländern gespielt wurden, kritisierte Azikiwe die dabei auftretenden Probleme. Von Europäern organisiert, bekamen afrikanische Spieler nur aufgrund ihrer „zivilisatorischen“ Einstellung die Erlaubnis zu spielen, oder auch nicht. Das hieß wer die Kolonialherrschaft in Frage stellte, hatte keine Chance zu spielen. Daraufhin gründete Azikiwe selbst einen Verein, den Zik‘s Athletic Club und stellte sich klar gegen die europäische Hegemonialmacht, indem er seine Mannschaft nur nach sportlichen Aspekten und nicht nach Konfession auswählte. Er betonte zu Lebzeiten aber auch oft die positive Bedeutung der neuen, importierten Sportart. Azikiwe unterstrich, dass Fußball in Nigeria entscheidend dabei mithalf, dass die Bevölkerung einen Stolz auf das noch junge Land entwickelten konnten und so den Nation-Building Prozess vorantrieb: Fußballspiele erweckten ein nationales Identitätsgefühl im Land, ganz ohne politisches oder (neo)koloniales Kalkül.

Afrikanische Fußballpioniere

Andrew Watson im Dress des Schottlands (1882)
©wikimedia_commons

Berücksichtig man die Gegebenheiten, waren afrikanische Fußballer erstaunlich früh in Europa zu finden. Ein Team aus dem heutigen Lesotho, genannt Kaffirs, war das erste afrikanische Fußballteam, das 1899 auswärts gegen britische und schottische Fußballmannschaften spielte. Das aus ausschließlich Schwarzen bestehende Team, bestritt angeblich 36 Matches in Europa, andere Quellen sprechen gar von 49 Spielen. Einzelne afrikanische Spieler in Europa gab es sogar schon lange bevor die Kaffirs britischen Boden betraten. Damals wie heute führte die fußballbedingte Migration meist entlang der (alten) Kolonialpfade. Der ehemalige schottische Nationalspieler Andrew Watson war bereits in den 1870er und 1880er Jahren für den Amateurverein Queens Park aus Glasgow aktiv. Watson war als Sohn afrikanischer Sklaven in der Kolonie Britisch-Guayana auf die Welt gekommen. Im Jahr 1882 wurde er dann als erster schwarzer Spieler im englischen Cup von den Londons Swifts eingesetzt und gilt als erster Dunkelhäutiger im offiziellen europäischen Fußball überhaupt. Der erste professionelle afrikanische Legionär im europäischen Fußball war Arthur Wharton. In Ghana geboren, durfte er nur aufgrund seines katholischen Glaubens nach England migrieren und spielte zwischen 1885 und 1902 unter anderem für Preston North End, Rotherham Town und Sheffield United. Der als Topathlet geltende Wharton lief kurioserweise als Torwart und Stürmer für seine Teams auf und stellte 1886 sogar den Amateurweltrekord im 100 Yard Lauf auf. Aus dem frankophonen und portugiesischen Teilen Afrikas, ließen sich auch etliche Beispiele der frühen Migration von Fußballern belegen.

Raoul Diagne (oben links) wurde als erster dunkelhäutiger Spiele in die französische Nationalmannschaft einberufen. Hier vor dem Spiel Frankreich gegen Österreich im Jänner 1937. ©wikimedia_commons

Das sportliche Ausnahmebeispiel stellt dabei ohne Zweifel der in Mosambik geborene Eusebio da Silva Ferreira dar. Der Stürmer war in den 1960er Jahren bei Benfica Lissabon der vermutlich beste Spieler in Europa und wurde allgemein als Star gefeiert. Dennoch hatte er einen sklavenähnlichen Alltag in Portugal. Im damals faschistischen Land unter der Führung von Diktator Antonio de Oliveira Salazar, gab es ein staatlich verordnetes Verbot an Benfica Lissabon, Eusebio ins Ausland zu verkaufen. Begründet wurde das mit seiner Geburt in einer portugiesischen Kolonie, die ihn wie einen Rohstoff zum „Staatseigentum“ machte. Auch Raoul Diagne aus dem Senegal sowie das nordafrikanische Offensivgenie Larbi Ben Barek oder Salif Keita aus Mali schrieben die afrikanische Fußballgeschichte mit. Diese Spieler mit beachtlichen Karrieren in Europa, prägten danach auch den Fußball in ihren Heimatländern. Vor allem Raoul Diagnes‘ Karriereverlauf lässt sich wie der eines Drehbuches lesen, da er als erster dunkelhäutiger Spieler in die französische A-Nationalmannschaft einberufen wurde und 18 Spiele für „Les Bleus“ absolvierte. 1960, nach der Loslösung Senegals von Frankreich wurde er Nationalmannschaftscoach seines Heimatlandes. Legendenstatus erwarb Diagne mit dem Heimsieg Senegals‘ über die französische Auswahl bei den Jeux de l‘Amitiè, einer Sportveranstaltung in Dakar, 1963.

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